2023 Pflanze des Monats April
Die Birke
Des einen Freud, des anderen Leid. Während für viele Menschen das frische Frühlingsgrün der Birke ein positives Sinnbild für Neubeginn, Licht und Leichtigkeit ist, ruft der schlanke Baum bei anderen im April heftige Niesattacken und tränende Auge hervor.
Betula pendula, die Hängebirke, wegen ihrer weißen Rinde auch Betula alba genannt, wächst als stattlicher Baum in Europa, Nordamerika und Asien. Bei der einhäusigen Pflanze zeigen sich männliche und weibliche Blüten, beide als Birkenkätzchen bekannt, getrennt auf demselben Baum, und es sind die Pollen der männlichen Blüten, die beim leisesten Windhauch verbreitet werden und so manchen Allergiker heftig leiden lassen.
Raschwüchsig und anspruchslos kann die Birke bis zu 25 Meter hoch und bis zu 150 Jahre alt werden. Sie dient dem Menschen schon seit Jahrtausenden als wertvolle Kultur- und Heilpflanze.
Der nordischen Göttin Freya, der Göttin der Liebe, Ehe und Fruchtbarkeit, geweiht und bei den Kelten und Germanen als Frühlingsbaum verehrt, findet die Birke auch heute noch Verwendung in verschiedenen Frühlingsbräuchen. Ob als stattlicher Maibaum oder als zarte, buntgeschmückte Jungbirke für die Herzensdame - so manche Birke hält Einzug in die Dörfer und darf zuweilen als versteckter Heiratsantrag verstanden werden.
Weniger romantisch war die Verwendung der Birke bei den Neandertalern, die aus dem Birkenholz Griffe für Werkzeug und Waffen anfertigten oder das teerartige Birkenpech als Klebe- und Bindemittel nutzten. Auch Ötzi hat wohl vor über 5000 Jahren seine Speerspitzen mit Birkenpech fixiert.
Ähnlich stellten auch die Gallier durch trockene Destillation von Birkenzweigen und Birkenrinde den Birkenteer (Pix betulinae) her, der bei Hautekzemen und chronischen Hautproblemen zum Einsatz kam. Verantwortlich für die desinfizierende Wirkung sind die im Teer enthaltenen Phenole. Da sie aber auch eine gewisse hautreizende Wirkung besitzen, findet der Stoff heute in Salbenzubereitungen bei uns kaum noch Verwendung. Das aus dem Teer hergestellte Juchtenöl aber wird in Russland noch zur Lederpflege genutzt.
Die Germanen zapften im Frühjahr zur Zeit der „steigenden Säfte“ die Birkenstämme an, um Birkensaft zu gewinnen. Er galt als Schönheits- und Stärkungstrank. Äußerlich wurde er zur Wundbehandlung oder gegen Haarausfall und innerlich bei Magen- Darminfekten oder Fieber eingesetzt. Noch heute wird der zuckerhaltige Saft in Sibirien vergoren und als Birkenwein genossen. Dabei wird ihm neben der berauschenden auch eine gewisse potenzsteigernde Wirkung zugeschrieben. Er verschafft eben Frühlingsgefühle!
In der modernen Medizin sind einige Heilwirkungen der Birke anerkannt. Teezubereitungen aus getrockneten Birkenblättern helfen, die Harnwege zu durchspülen, und Nierengriess auszuschwemmen. Bei bakteriellen Harnwegsentzündungen kann der Tee andere Therapiemaßnahmen sinnvoll ergänzen. Es sind Flavonoide, Gerb- und Bitterstoffe sowie Saponine, die hier ihre wohltuende Wirkung entfalten. Bei rheumatischen Beschwerden kann ebenfalls eine Teekur versucht werden, die noch durch die äußerliche Anwendung eines Birkenrheumaöls (Wala) ergänzt werden kann.
Birkenblättertee sollte jedoch nicht getrunken werden, wenn sich im Körper Wasseransammlungen (Ödeme) aufgrund von eingeschränkter Herz – oder Nierentätigkeit gebildet haben. Immer wieder tauchen Empfehlungen auf, Birkenblättertee in einer Mischung mit Heidelbeeren, Blutwurz und Wermut zu trinken, um auf diese Weise einen erhöhten Blutzuckerspiegel zu senken. Leider zeigt sich hier nicht die erwünschte Wirkung!
Für eine reinigende Frühjahrskur lassen sich Birkenblätter aber gut nutzen. Hier bieten sich z. B. Mischungen mit Brennnessel und Schachtelhalm an. Die Barlach Apotheke fertigt gerne individuelle Tees an. Je nach Vorliebe lassen sich die Kompositionen geschmacklich noch aufbessern, etwa durch den Zusatz von Pfefferminz oder Hagebutte.
Die Firma Weleda stellt aus den frischen Birkenblättern einen Extrakt her, der mit Zitronensaft verfeinert ist. Mit Apfeldirektsaft oder als Schorle wird daraus ein sehr wohlschmeckendes und belebendes Getränk – ideal gegen die Frühjahrsmüdigkeit. Wer sich dann noch zu einer kleinen Fastenkur und fleißigen Massagen mit dem Birken-Cellulite Öl (Weleda) motivieren kann, schenkt sich einen wahren Jungbrunnen.
Bemerkenswert ist auch die Substanz, die der Birkenrinde ihr strahlend weißes Aussehen und damit Lichtschutz verleiht – das Betulin. Betulinhaltige Salbenzubereitungen könnten möglicherweise geeignet sein zur Behandlung der aktinischen Keratose, einer lichtbedingten Hautschädigung, aus der heraus Hautkrebs entstehen kann. Tumorhemmende, antivirale und entzündungshemmende Eigenschaften machen das Betulin für die Forschung interessant. Die keimhemmenden Eigenschaften der Birkenrinde werden in skandinavischen Ländern und in Russland schon lange genutzt. Aus der Rinde werden seit Jahrhunderten Vorratsbehälter für Lebensmittel hergestellt. So bleiben diese länger frisch und dekorativ sind die Behältnisse allemal.
In der anthroposophischen Medizin und in der Homöopathie kommt auch die Birkenkohle, Carbo betulae, zum Einsatz. Ebenfalls genutzt wird hier die Kohle der Rotbuche. Als Carbo vegetabilis können Birken- oder Buchenkohlezubereitungen den Patienten Linderung bringen, denen „die Luft wegbleibt“, denen Sauerstoff fehlt. Diese Patienten sind oft müde durch eine Anhäufung von Stoffwechselschlacken und leiden häufig unter Schwäche, Atemnot und Verdauungsproblemen.
In der modernen Ernährung spielt seit einigen Jahren der Birkenzucker, das Xylit, eine gewisse Rolle. Früher tatsächlich in einem aufwändigen Prozess aus Birkenrinde hergestellt, dient dieser Zuckeralkohol als kalorienarmes Süßungsmittel, das insulinunabhängig verstoffwechselt wird. In Zahnpflegekaugummis und Zahnpasten reduziert Xylit das Bakterienwachstum, reduziert den Zahnbelag und wirkt der säurebedingten Entkalkung der Zähne entgegen. Kehrseite der Medaille: die Zuckeralternative kann bei empfindlichen Menschen starke Blähungen und Durchfälle verursachen. Wie so oft macht aber auch hier die Dosis das Gift.
Die Birke – ein Baum mit positiven Eigenschaften.
Bleibt zu hoffen, dass der ein oder andere Allergiker nun etwas versöhnlicher auf diesen „Frühlingsbaum“ blicken kann.