Pflanze des Monats Dezember
Die Christrose
« Und die Hirten machten sich auf den Weg nach Bethlehem. Alle hatten ein kleines Geschenk dabei, das sie dem Jesuskind überreichen wollten. Nur ein Hirtenjunge stand da mit leeren Händen. Er weinte bitterlich. Als seine Tränen den Boden benetzten, spross aus der Erde eine wunderschöne Blume mit prächtigen weißen Blüten. Der Hirtenjunge pflückte sie sogleich und war überglücklich, dem Kind in der Krippe seine „Christrose“ schenken zu können.“
Helleborus niger, die Christ- oder Schneerose, erfreut uns mit ihren strahlend weißen Blüten besonders, denn sie erscheinen in der kalten, dunklen Winterzeit.
Gerade zur Weihnachtszeit gilt die immergrüne Pflanze aus der Familie der Hahnenfußgewächse als Symbol der Hoffnung und der Unschuld. Ihr natürlicher Lebensraum findet sich auf den kalkreichen Böden der Alpen, wo die Pflanze in Höhen bis zu 1900 m wächst. Gern wird sie aufgrund ihrer Schönheit und ihrer ungewöhnlichen Blütezeit auch in Gärten kultiviert.
Schon in der Antike wurde Helleborus niger als Mittel gegen die Fallsucht (Epilepsie) und gegen Wahnsinn geschätzt. Die schwarze Nieswurz - das Rhizom ist tatsächlich schwarz - reizt die Atemwege. Gemäß der Humoralpathologie, die psychische Erkrankungen auf ein Übermaß an schwarzer Galle zurückführte, galt das Herausniesen als probates Mittel gegen allerlei Störungen des Gemütszustandes. Ob es sich bei dem beschriebenen Heilmittel jedoch tatsächlich um die Christrose gehandelt hat, bleibt fraglich. Auch der weiße Germer (Veratrum album) war unter gleichem Namen bekannt.
Neben reizenden, stark herzwirksamen Saponinen enthält die Christrose das in allen Hahnenfußgewächsen vorkommende giftige Protoanemonin. Die alte Heilpflanze findet in der modernen Schulmedizin daher keine Verwendung.
Die anthroposophische Medizin jedoch schätzt Zubereitungen der Christrose. Wie die ebenfalls immergrüne Mistel wird auch sie von entsprechend geschulten Therapeuten in der Krebstherapie eingesetzt. Immunmodulierende und zytotoxische Effekte sollen helfen, Tumore zu bekämpfen. Anthroposophische Unternehmen wie Wala oder Helixor bieten entsprechende Ampullenpräparate zur subkutanen Anwendung an.
Auch die klassische Homöopathie verwendet Helleborus niger. Verwirrtheitszustände infolge schwerer Erkrankungen, Gedächtnisprobleme verursacht durch Chemotherapie, aber auch Nierenentzündungen und rheumatische Erkrankungen kann der erfahrene Homöopath angehen. Aufgrund der Schwere der zu behandelnden Krankheiten eignet sich Helleborus niger eher nicht für die Selbstmedikation.
Eine Verwandte der schönen Christrose findet sich in den lichten Laubwäldern der Schwäbischen Alb - Helleborus foetidus, die stinkende Nieswurz. Im zeitigen Frühjahr öffnet sie ihre eher unscheinbaren grünlichen Blüten. Die Pflanze verströmt keinen Wohlgeruch und ist ähnlich giftig wie ihre elegante Schwester.
Punkten kann sie aber mit ihrem interessanten Bestäubungsmechanismus. Die Blüten enthalten neben dem klebrigen Pollen und dem süßen Nektar auch Hefekulturen. Diese lassen das zuckrige Sekret gären. Dabei entsteht Wärme. Die Temperatur in der Blüte kann bis zu 6 Grad Celsius höher liegen als die Umgebungstemperatur und ist damit in den noch kalten Frühlingstagen sehr anziehend für die bestäubenden Insekten.
Kehren wir zurück in die Vorweihnachtszeit.
Ist in dem Lied „Es ist ein Ros entsprungen“ tatsächlich die in der Legende vom Hirtenjungen erwähnte Christrose besungen? Vielleicht hatte sie der Dichter im Sinn, doch eigentlich müsste es „Reis“ heißen. Der Text bezieht sich nämlich auf einen Vers im Alten Testament, in dem der Prophet Jesaia den kommenden Messias ankündet. „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Jesse und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen“.
Schön ist das Lied trotzdem.