Pflanze des Monats Mai
Der Löwenzahn
An schönen Frühlingstagen zeigen sich viele Wiesen als wahre gelbe Blütenmeere.
Der Löwenzahn, botanisch Taraxacum officinale, ist kaum zu übersehen. An sonnigen Tagen strahlend, bei trüber Witterung eher zurückhaltend, ist das Kraut ein wahrer Schönwetterfreund. Kuhblume, Ketten- oder Pusteblume, Ackerzichorie, Milch- oder Maienblume, Sonnenwirbelkraut, Bettseicherle oder französisch Pissenlit - der Löwenzahn hat viele Namen, die einiges über ihn verraten.
Kinder lieben die Pflanze, lassen sich doch wunderschöne Blütenkränze und -ketten aus ihr flechten und laden ihre kugeligen, silbrigen Samenstände zum Pusten ein. So hat sich in früheren Zeiten manch junges Mädchen auf diese Weise seine Zukunft vorhersagen lassen. Die Anzahl der nach dem Abpusten auf dem weißen Blütenboden stehen gebliebenen Samen sollte verraten, wie viele Jahre noch vergehen würden bis zum Läuten der Hochzeitsglocken.
Der beim Pflücken des Löwenzahns austretende weiße klebrige Milchsaft, der sich beim Trocken bräunlich verfärbt, ist entgegen mancher Behauptung nicht stark giftig. Zwar kann er bei empfindlichen Menschen leichte Hautreizungen verursachen, doch wird die Warnung von Müttern wohl eher deshalb gerne ausgesprochen, um zu verhindern, dass die Kinder von der Wiese hässliche Flecken auf ihrer Kleidung mitbringen. Der Löwenzahn produziert den bitteren, kautschukartigen Saft, um Frassfeinde abzuwehren und um bei Verletzungen für einen raschen Wundverschluss zu sorgen.
Auch manch Gartenbesitzer ist nicht unbedingt erfreut, die gelb leuchtenden Blütenköpfe auf seinem Rasen zu entdecken. Sie loszuwerden ist keine einfache Aufgabe. Der auf der ganzen nördlichen Erdhalbkugel zu findende Vertreter der großen Familie der Korbblütler verteidigt seinen Standort wie ein Löwe. Verbleibt auch nur ein Stückchen seiner kräftigen braunen Pfahlwurzel im Boden, so treibt die Pflanze wieder aus. Äußerst anpassungsfähig fühlt sich der Löwenzahn nicht nur auf Wiesen wohl, sondern findet selbst in Mauerspalten und Asphaltritzen neuen Lebensraum – überall dort, wohin der Wind seine Samen mit Hilfe der Flugschirmchen trägt. Überhaupt zeigt sich die Pflanze sehr wandlungsfähig. So gleicht keines ihrer gesägten oder auch gewellten Blätter, die mal in kräftigen, mal in kleinen Rosetten wachsen, dem anderen. Der Löwenzahn passt sich nahezu jedem Standort an.
Die aus vielen goldgelben Zungenblüten bestehenden Korbblüten - 200 bis 300 einzelne gelbe Zungenblüten bilden einen Blütenstand, der dann aussieht wie eine Einzelblüte - sind geschätzte Bienennahrung. Auch für den Menschen hat die Pflanze einiges zu bieten:
Bitterstoffe, Inulin und Flavonoide sind wertvoll für Galle, Leber und Nieren.
Die Barlach-Apotheke bietet Teemischungen mit Löwenzahn, die sich wunderbar eignen für eine stoffwechselanregende Frühjahrskur. Gerade in Zeiten, in denen unser Immunsystem besonders gefordert ist, kann der Löwenzahn den dafür wichtigen Lymphfluss unterstützen.
Zur Entlastung der Niere und zur Vorbeugung von Blasen- und Nierensteinen stellen wir individuelle Teemischungen her, in denen Kraut und Wurzel des Löwenzahns nicht fehlen dürfen. Hier nutzen wir die leicht entzündungshemmende und harntreibende Wirkung der Pflanze.
Aus der anthroposophischen Medizin empfehlen wir verschiedene Präparate von Wala und Weleda. Auch hier steht die verdauungsfördernde, Leber und Nieren stärkende Wirkung im Vordergrund. Menschen, deren Leber durch die Einnahme verschiedener Medikamente belastet ist, profitieren von der vitalisierenden, entgiftenden Eigenschaft des Löwenzahns. Bei chronischen Hautkrankheiten wie Neurodermitis und Rosacea, bei denen oft ein Zusammenhang besteht zwischen geschädigter Haut und geschwächter Leber, können Präparate mit Löwenzahn eine gute Ergänzung zur ärztlichen Therapie bieten.
Doch der Löwenzahn hat noch weiteres Potential. Forscher untersuchen, ob bestimmte Inhaltsstoffe des Löwenzahns nicht sogar das Wachstum von Krebszellen hemmen können.
Auch ohne gesundheitliche Probleme sollten wir den Löwenzahn ruhig in unseren Speiseplan einbauen.
Die Blätter eignen sich wunderbar für einen appetitanregenden Frühlingssalat: Hier schmecken die jungen Blätter deutlich milder als die älteren. Die Blütenknospen lassen sich wie Kapern einlegen und aus den leuchtend gelben Blüten kann man ähnlich wie aus Holunderblüten einen süß-würzigen Sirup oder auch ein Gelee kochen. Die getrocknete, vorsichtig geröstete und dann gemahlene Wurzel eignet sich als Kaffeeersatz. Die botanisch mit dem Löwenzahn verwandte Wegwarte ist älteren Generationen noch wohl bekannt als Zichorienkaffee. Dieser ist vielleicht nicht ganz so aromatisch wie Bohnenkaffee, durchaus aber eine wohlschmeckende und gesunde Alternative.
Betrachtet man all diese Tugenden der seit Jahrhunderten geschätzten Heilpflanze, so kann sich vielleicht auch mancher Rasenfreund mit ihr versöhnen.